„Systemsprenger” – Ein Filmabend mit Erkenntnissen aus Forschung und Praxis
Am 28. November 2019 luden Prof. Dr. Ulrike Zöller und Dr. Christian Schröder des Studiengangs Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit der Fakultät für Sozialwissenschaften der htw saar ins Saarbrücker Kino achteinhalb zu einem Filmabend mit anschließender Diskussion ein. Der Einladung zu diesem Abend waren zahlreiche Interessierte gefolgt: der Saal im Kino achteinhalb war restlos besetzt; Kurzentschlossene mussten mit zusätzlich aufgestellten Klappstühlen Vorlieb nehmen.
Gezeigt wurde der Spielfilm „Systemsprenger“, eine deutsche Produktion, die im Herbst 2019 in die Kinos kam und zahlreiche nationale wie internationale Nominierungen sowie Auszeichnungen erhielt.
Hintergrund der Einladung ist das derzeit laufende EU-Interreg-Projekt EUR&QUA, indem länderübergreifende Hilfeverläufe von Kindern innerhalb der Großregion (Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg) im Verbund zwischen Hochschulen und Praxispartnern untersucht werden. Ein Ergebnis der Untersuchung ist die Beobachtung, dass Kinder u.a. dann länderübergreifend in der Großregion untergebracht werden, wenn Organisation und Kind aneinander scheitern. Sie scheitern dann aneinander, wie Ulrike Zöller und Christian Schröder berichteten, wenn Fachkräfte und Kinder keine Beziehung mehr zueinander hergestellt können bzw. wollen. In diesen Fällen wird meist eine schnelle Lösung in einer anderen Einrichtung – oft auch jenseits der Ländergrenze gesucht. Genau diese Wechsel in der Kinder- und Jugendhilfe von einer Einrichtung zur nächsten beschreibt auch der Film „Systemsprenger”.
Im Film „Systemsprenger“ geht es um das Leben der 9-jährigen Benni. Der Film gewährt gleichermaßen schonungslose Einblicke in das Innenleben Bennis sowie in ein Hilfesystem, das dem Mädchen nicht gerecht werden kann. Die Verzweiflung des Mädchens wird zur Verzweiflung und Überforderung der Fachkräfte und umgekehrt. Dem Film „Systemsprenger“ gelingt es, trotz teils drastischer Szenen auf Schuldzuweisungen zu verzichten. Kritik äußert er lediglich implizit an einem defizitären System der Kinder- und Jugendhilfe, in dem nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern gerade auch Fachkräfte an Grenzen stoßen.
Für die anschließende Diskussion standen neben den Vertreterinnen und Vertretern der htw saar auch ein Praxispartner des Projekt EUR&QUA, die Caritas Jugendhilfe Margaretenstift, vertreten durch Erhard Zimmer (Leiter der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Margaretenstift in Saarbrücken) sowie durch Dr. Stefan Eisenbeis (Diplom-Psychologe und pädagogisch-therapeutischer Leiter des Margaretenstifts), zur Verfügung. Nach einem kurzen Input zu den Forschungsergebnissen des Projekts EUR&QUA wurde eine rege Diskussion mit den Besucherinnen und Besuchern im Kino Achteinhalb geführt. Unter den Anwesenden waren neben Studierenden und Beschäftigten der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit auch Fachkräfte der Kinder-und Jugendhilfe sowie am Thema Interessierte anwesend.
Ausgangsbasis für die sich entwickelnde Diskussion war das kritische Hinterfragen des Filmtitels. Wer mit „Systemsprenger“ gemeint sei und ob überhaupt von „dem System“ gesprochen werden könne, sorgte unter den Diskutierenden für Kontroversen. Anschließend kreiste die Diskussion um die Frage des Beziehungsaufbaus von Fachkräften zu solchen Kindern, in denen – wie filmisch eindrücklich dargestellt – eine Beziehung im Spannungsfeld von Nähe und Distanz stets auszubalancieren ist. Daran schlossen weitere Fragen an: Wie sind Kinderrechte in der alltäglichen Praxis umsetzbar? Unter welchen Umständen sind medikamentöse Interventionen gerechtfertigt? Und können professionelle Beziehungssettings überhaupt „echte“ und nachhaltige Bindungserfahrungen gewährleisten?
Auch mögliche Verbesserungen wurden genannt, wie etwa die Notwendigkeit nach klaren Zuständigkeiten, die Verzahnung einzelner Einrichtungen oder die engere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern im Fall länderübergreifender Hilfeverläufe. Am Ende blieb eine anregende Diskussion, die sicherlich bei vielen nachwirkte und weitergeführt wurde.
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