Eine zweite Chance auf Leben
2015 hat die htw saar zu einer Registrierungsaktion bei der DKMS (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei) aufgerufen. Jetzt, Jahre später, hat ein htw saar Student, der sich damals bei der Aktion hat typisieren lassen, den Anruf erhalten, dass er Spender sein kann.
Marco berichtet ganz unaufgeregt von seiner Knochenmarkspende. So als wäre es das Normalste der Welt, dass er sich im Winter vergangenen Jahres Knochenmark aus seinem Becken hat entnehmen lassen, um einem anderen Menschen eine zweite Chance auf Leben zu geben. Während der Corona-Virus grassiert und Meldungen über immer mehr Infizierte und Tote die Nachrichten beherrschen, begibt er sich für den Eingriff ins Krankenhaus. Zu dem Zeitpunkt weiß der 28-Jährige nichts über den Empfänger seiner Spende. Nur, dass dieser Mensch irgendwo auf der Welt an Blutkrebs erkrankt ist und er, Marco, das perfekte Match für eine Spende ist.
Laut DKMS erhält alle 12 Minuten ein Patient in Deutschland die Diagnose Blutkrebs. Nur ein Drittel aller Blutkrebspatienten findet innerhalb der Familie den passenden Spender. Jeder zehnte Blutkrebspatient sucht vergeblich einen Spender. Aber nur die wenigsten in Stammzellspenderdateien gelisteten Personen werden tatsächlich zum Spender. Laut dem Deutschen Ärzteblatt sind es gerade einmal 1,5 Prozent. Die Chance „auserwählt“ zu werden, genetisch mit einer fremden Person derart übereinzustimmen, ist also nur gering. Auch für Marco kam der Anruf der DKMS unerwartet. „Ich war überrascht, aber ich habe mich dann gefreut, dass ich vielleicht jemandem helfen kann“, sagt er.
Sich registrieren zu lassen, ist eine Sache, aber dann auch wirklich zu spenden, steht auf einem anderen Blatt. Vor allem in Zeiten von Corona. Marco hatte keine Zweifel. „Ich habe die Möglichkeit ein Leben zu retten, dann mache ich das auch“, sagt er. „Deshalb habe ich mich ja registriert, das war da schon fix“. Im heißen Sommer 2015 hat sich Marco an der htw saar registrieren lassen. Bei der Aktion konnten sich Mitglieder der Hochschule am Campus Alt-Saarbrücken und Campus Rotenbühl über eine Stammzellspende informieren und sich bei der DKMS registrieren. Gemeinsam mit einer Initiativgruppe aus 13 Studierenden, vielen freiwilligen Helfern und mit der finanziellen Unterstützung zahlreicher regionaler Unternehmen hat Isabelle Giro, Beauftragte für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen und zuständig für das Diversity Management an der htw saar, das Projekt auf die Beine gestellt. „Trotz schweißtreibender Temperaturen war die Aktion mit 217 neuen Registrierungen ein voller Erfolg“, erinnert sie sich. Über den Anruf der DKMS, dass sich nun, nach fast sechs Jahren ein Spender unter den damals Registrierten gefunden hat, freut sie sich besonders: „Das ist ein toller Erfolg. Es ist schön, dass wir mit der Aktion einen Beitrag bei der Suche nach einem Lebensretter leisten konnten“.
Vor der Aktion hat sich Marco noch nie mit dem Thema befasst. „Ich finde, es ist eine gute Sache, dafür, dass es kein Aufwand ist, sich ein Stäbchen in den Mund zu stecken. Wenn allein schon die Kartei wächst, das ist ja auch schon eine Hilfe. Ob man im Ernstfall wirklich spenden möchte, kann man sich dann immer noch aussuchen“, erklärt er. Marcos Spende war auch Thema bei Freunden und Familie. „Sie haben sich gefreut und waren stolz. Ich habe eigentlich nur positive Rückmeldungen bekommen. Natürlich kam auch die Frage: Hast du nicht Angst, weil es eine OP ist“, sagt Marco. Gedanken habe er sich aber nur wenig gemacht, weil er ja kerngesund sei und auch nur kerngesunde Menschen zur Spende zugelassen werden.
Nach der ersten Kontaktaufnahme durch die DKMS und nach weiteren Tests wird der OP-Termin festgelegt. Zehn Tage schränkt Marco aufgrund von Corona seine Kontakte massiv ein. Da die Entnahme außerhalb des Saarlandes stattfinden soll, bucht die DKMS ein Hotel, erstattet die Fahrkosten und kümmert sich auch sonst bei allen Fragen um Marco. „Die ganze Organisation der DKMS hat einwandfrei funktioniert“, so der Student. Laut DKMS werden in etwa 80 Prozent der Fälle die Stammzellen der Blutbahn entnommen. Dabei ist keine Operation notwendig. Marco gehört zu den restlichen 20 Prozent, die über das Knochenmark spenden. Nach einer gründlichen Voruntersuchung wird ihm unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm 0,6 Liter Knochenmark-Blut-Gemisch entnommen. „Es gab keine Komplikationen und danach fühlt es sich wie Muskelkater an. Mehr war’s auch nicht“, sagt er.
Einen Tag nach der Spende erhält Marco einen Anruf von der DKMS. Eine Mitarbeiterin erkundigt sich nach seinem Befinden und fragt ihn, ob er etwas über den Empfänger wissen möchte. Nicht jeder will das, aber Marco schon: „Ich war schon ein bisschen neugierig“. Sie sagt ihm, dass seine Spende nach Polen geht. Sein genetischer Zwilling ist ein Kind im Grundschulalter.
Ob seine Spende tatsächlich geholfen hat, das wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Dann wird Marco erneut informiert. „Ich hoffe, dass es klappt“, sagt er. Zu einer erneuten Spende wäre er aber auf jeden Fall bereit.
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