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„Nur wenn man ein Thema anspricht, kann man etwas ändern“

Unsere zentrale Gleichstellungsbeauftragte Dipl.-Ing. Irmgard Köhler-Uhl. Foto: Sand/htw saar

Seit 1911 gibt es den „Internationalen Tag der Frauen“, an dem weltweit auf Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht wird. In Deutschland konnten im Januar 1919 Frauen das erste Mal in der Geschichte wählen und gewählt werden. Der Weltfrauentag wird weltweit am 8. März gefeiert und für Aktionen genutzt, die auf die Lage von Frauen weltweit aufmerksam machen.

Anlässlich des Weltfrauentags 2021 haben wir ein Interview mit unserer zentralen Gleichstellungsbeauftragten, Dipl.-Ing. Irmgard Köhler-Uhl, über die Gleichstellung von Mann und Frau geführt. Hintergrundinfo: 2018 wurde die Stelle der zentralen Gleichstellungsbeauftragten geschaffen, Gleichstellungsarbeit ist aber schon seit 25 fest an der Hochschule verankert.

 

Frau Köhler-Uhl, gleich zu Beginn die Frage: Braucht es im Jahr 2021 noch einen Weltfrauentag?

Ja, er wird sogar immer wichtiger. Wenn ich mich zurückerinnere, als ich angefangen habe zu studieren, bin ich zu Vorlesungen noch mit „Guten Morgen meine Herren“ begrüßt worden. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass Frauen im Ingenieurwesen fehl am Platz sind. Mit dem Eintritt in die Industrietätigkeit hat man dann doch gemerkt: „Oh, hier sind ja gar keine Frauen“. (Anmerkung der Redaktion: Frau Köhler-Uhl hat in einem großen Stahlwerkskonzern den Blockguss-Betrieb geleitet, damit war sie die erste Frau in Deutschland in einer solchen Position. Bereits im Studium hat sie sich auf diesen Fachbereich spezialisiert). Heute hat sich das geändert, es gibt mittlerweile doch einige Frauen, die in dem Bereich tätig sind aber insgesamt noch viel zu wenig Ingenieurinnen. Sich neuen Herausforderungen zu stellen, heißt auch alte Muster aufzudecken und über Bord zu werfen. Die Coronapandemie zeigt uns ganz deutlich, dass Frauen neben der beruflichen Tätigkeit auch noch zum größten Teil die Familienarbeit leisten müssen, daher ist es umso wichtiger an einem Weltfrauentag darauf aufmerksam zu machen. Denn nur, wenn man ein Thema anspricht, kann man etwas ändern.

 

Sie sind seit drei Jahren die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der htw saar und seit 25 Jahren in den Ingenieurwissenschaften im Bereich der Werkstoffkunde tätig. Was hat sich in all den Jahren in Sachen Gleichstellung geändert?

Damals gab es zwei Professorinnen an der htw saar, eine im Bereich der Sprachen und eine in der Mathematik. Ich war die erste Ingenieurin die dazukam. Wenn man sich heute die Fakultät für Ingenieurwissenschaften anschaut, sind es immer noch nicht so viele Professorinnen, aber insgesamt viel mehr Professorinnen in allen Fachbereichen fakultätsübergreifend. Zu Anfang gab es bei den Gesprächen mit neuen Professorinnen oft die Frage: „Und wer kümmert sich um Ihre Kinder, wenn Sie an der Hochschule sind?“ Heute verfügt die htw saar über ein eigenes Familienbüro und unterhält zusammen mit der AWO eine eigene KiTa. Die htw saar ist als familienfreundliche Hochschule zertifiziert.  

 

Wo sind wir schon gut unterwegs, wo gibt es noch Handlungsbedarf?

Seit wir die Stelle der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten haben und wir zusätzlich über das Professorinnen III Programm auch das Team aufstocken konnten und über finanzielle Mittel verfügen, konnten wir viele Themen schon in die richtige Richtung lenken. Seitdem sind die Aktivitäten sprunghaft in die Höhe gegangen. Es macht auch richtig Spaß, das, was man schon seit Jahren geplant hat, endlich umsetzen zu können. Nach 25 Jahren Frauen- und Gleichstellungsarbeit ist es mittlerweile selbstverständlich, dass die Gleichstellungsbeauftragte oder ihre Vertreterinnen an allen Berufungsverfahren, Stellenbesetzungen und bei der gesamten Gremienarbeit beteiligt sind. Weiterbildungsangebote in der internen Qualifikation konnten etabliert werden, Aktionen zum Thema „komm mach MINT“ für Mädchen und junge Frauen sind angelaufen. Im ingenieurwissenschaftlichen Bereich gibt es noch Handlungsbedarf. Hier fehlen uns einfach nach wie vor die Frauen, sei es bei den Studierenden, den Beschäftigten oder als Professorin.

 

Gleichstellung ist bestimmt noch nicht in allen Köpfen verankert. Vor welchen Herausforderungen stehen Gleichstellungsbeauftragte mit ihren Vorstellungen und Ideen?

Oftmals wird mit dem Thema Gleichstellung die Frage verbunden, welchen Nutzen man davon hat. Es wird oft übersehen, dass weder ein reines Männerteam noch ein reines Frauenteam effektiv ist, sondern eine Mischung aus beiden. Solange wir das nicht in die Köpfe reinbekommen, haben wir ein Problem. Jeder von uns hat eine bestimmte Ausrichtung, wie er denkt, wie er an Problemstellungen herangeht. Wenn ich beispielsweise nur eine männliche Denkweise zur Verfügung habe, die ich auch als junge Frau adaptiere, wenn ich nur Männer als Lehrende habe, dann fehlt eine Seite in der Lösungsfindung. Wichtig ist, dass es Frauen gibt, die bewusst ihre eigenen Fähigkeiten und eigene Kreativität einsetzen, um Lösungen zu finden. So erhalten wir einen neuen Blick auf die Dinge.

Gleichstellung ist also noch kein Selbstläufer?

Genau, deshalb ist es sehr hilfreich, dass Hochschulen bei der Beantragung von Fördergeldern nachweisen müssen, was sie im Bereich Gleichstellung unternehmen. Viele Förderprogramme fordern diese Nachweise und nur dadurch wird das Interesse vieler Männer an dem Thema überhaupt geweckt. Frauenförderung als Förderung der Chancengleichheit und darauf ausgerichtete Aktivitäten sind notwendig, um Frauen in allen Berufen und Führungspositionen als normal anzusehen. Das Stigma eine Quotenfrau zu sein, will keine Frau und erst recht keine Akademikerin mit sich rumtragen.

 

Gibt es aus Ihrer Sicht im Diskurs und der Durchsetzung von Gleichstellung auch Fehlentwicklungen, die nicht zielführend sind?

Man erwartet immer, dass, wenn man eine Idee hat, sie innerhalb von ein bis zwei Jahren Resultate zeigt. Das ist leider oft nicht so schnell der Fall. Wir müssen im Bereich der Gleichstellung mit langfristigen Aktionen und Änderungen vorgehen und nachhaltig planen. Das heißt Schnellschuss-Geschichten sind von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Wenn man sich schon lange mit dem Thema befasst hat, stellt man auch fest, dass die gleichen Ideen immer wieder aufkommen, aber nicht an die Zeit angepasst werden.

 

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die gendergerechte Kommunikation?

Es kommt dabei auf die Sichtweise des Einzelnen an. Ich hole jetzt ein klein wenig aus… Letztes Jahr war der Wahlspruch der Bundeskonferenz der Hochschulfrauenbeauftragten „University made me a feminist“. Im ersten Moment habe wir uns alle über diesen Spruch aufgeregt, aber dann darüber nachgedacht. Ja, es stimmt. Erst die Hochschule hat mir die Sprache dafür gegeben, dass auszudrücken, was mich immer schon gestört hat. Als ich studiert habe, war mir das ganz egal, ob ich mit Ingenieur oder mit Ingenieurin angesprochen werde. Wenn von Ingenieuren die Rede war, habe ich mich automatisch zu dieser Gruppe gezählt. Aber es macht einen himmelweiten Unterschied aus, ob ich bei einer öffentlichen Ansprache „meine Damen und Herren“ oder nur „meine Herren“ sage. Eine neutrale Anrede wie zum Beispiel „sehr geehrte Anwesende“ ist natürlich auch nicht zu verachten, da sich nicht jede Person der Gruppe Männer oder Frauen zugehörig fühlt.

 

Welchen Karriere-Tipp würden Sie jungen Frauen geben?

Lass dich nicht verunsichern. Mach das, was dir Spaß macht. Und wenn du das noch nicht weißt, dann guck dich vorher um. Sei neugierig, es gibt einfach viel zu viel zu entdecken.

 

Das Interview führte Isabel Sand.

 

Weitere Infos zu unserem Gleichstellungsbüro und ein Veranstaltungstipp zum Weltfrauentag finden Sie hier.

Programm des Frauenbüros der Stadt Saarbrücken

 

2018 wurde die Stelle der zentralen Gleichstellungsbeauftragten an der htw saar geschaffen. Seitdem konnten viele Projekte angestoßen werden. Hier stehen Frau Köhler-Uhl (rechts) mit ihrer Stellvertreterin, Sandra Wiegand Seite an Seite mit dem „Ersten Mann am Hochofen“ am Campus Alt-Saarbrücken. Foto: Sand/htw saar
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