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Aktuelle Herausforderungen für die Geldpolitik im Euroraum

Die Eurozone hat sich von den Schockwellen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 immer noch nicht vollständig erholt. Hinzu kommen viele hausgemachte strukturelle Probleme in einer Reihe von Mitgliedsländern. Viele Staaten sind stärker verschuldet, als dies gemäß des Stabilitäts-und Wachstumspakts zulässig ist. Etliche Banken haben weiterhin in erheblichem Umfang „faule“ Kredite in ihren Büchern. Die Europäische Zentralbank (EZB), die neben der Geldpolitik inzwischen auch für die Überwachung der systemrelevanten Banken in der Eurozone zuständig ist, steht damit vor einem potenziellen Interessenskonflikt. Die Inflationsrate, die laut Zielsetzung der EZB unter nahe zwei Prozent liegen sollte, ist trotz einer extrem expansiven Geldpolitik immer noch weit davon entfernt. Ende Oktober hat die EZB sogar eine weitere Ausweitung ihrer expansiven Geldpolitik beschlossen, allerdings mit einer verminderten Geschwindigkeit. Diese Geldpolitik, die in Fachkreise und auch innerhalb der EZB umstritten ist, hat inzwischen erhebliche negative Nebenwirkungen. Insgesamt gibt es also eine große Fülle von Herausforderungen für die Geldpolitik im Euroraum.

Auf Einladung von Prof. Dr. Leonhard Firlus von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der htw saar stellte sich Bernd Kaltenhäuser, Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, am 11. Dezember 2017 der Aufgabe, diese Herausforderungen näher zu analysieren.

Nachdem das Thema Geldmarkt und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank schon in der Vorlesung „Makroökonomie“ behandelt wurde, konnten die Studierenden der Bachelor-Studiengänge Internationale Betriebswirtschaft und Internationales Tourismus-Management nun aus erster Quelle Neuigkeiten und weitere fundierte Urteile erfahren.

Gemäß des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besteht das Verbot einer monetären Staatsfinanzierung. Auch haften Mitgliedsstaaten nicht für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedssaaten. Wie von einem Vertreter der Deutschen Bundesbank nicht anders zu erwarten, setzte sich Kaltenhäuser sehr kritisch mit der expansiven Geldpolitik der EZB und den zahlreich damit verbundenen Aufkaufprogrammen auseinander. Faktisch ist die EZB bereits heute der größte Gläubiger einer Reihe von Mitgliedsstaaten.

Die im Oktober beschlossene Verlängerung der Aufkäufe von Wertpapieren wurde ausdrücklich mit dem Hinweis versehen, dass der September 2018 als genanntes Enddatum keinesfalls als verbindlich anzusehen sei. Außerdem sollen bei Fälligkeit von gekauften Wertpapieren die frei werdenden Mittel wieder angelegt werden, sodass selbst nach Ende von zusätzlichen Käufen von Wertpapieren noch lange mit einem historisch niedrigen Zinssatz zu rechnen ist. Betrug die wöchentliche Liquiditätsversorgung des Euro-Bankensystems vor der Finanzkrise im Jahr 2008 noch rund 500 Mrd. Euro, beträgt sie aktuell etwas über 3000 Mrd. Euro.

Ergänzend zu diesen Ausführungen zur Geldpolitik nahm Kaltenhäuser die Staatsfinanzen der Mitgliedsländer ins Visier. Hier zeigt sich eine erheblich Zunahme der Staatsverschuldung. Dabei liegt die Verschuldungsquote (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) nur noch in sehr wenigen Ländern unterhalb der durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegebenen Grenze von 60 Prozent. In Deutschland war diese Quote 2010 zwischenzeitlich auf über 80 Prozent angestiegen und beträgt aktuell „nur“ noch rund 65 Prozent.

Vor diesem Hintergrund und einer Reihe von Vorschlägen aus verschieden politischen Richtungen warnte Kaltenhäuser abschließend eindringlich davor, die Risiken und die Haftung auf europäischer Ebene zu vergemeinschaften und gleichzeitig die Haushaltskompetenz bei den Mitgliedsstaaten zu belassen.

Nach diesem sehr interessanten Vortrag stand der Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Rheinland-Pfalz und dem Saarland noch zur Beantwortung einiger Fragen aus dem Publikum zur Verfügung.

Bernd Kaltenhäuser war bereits im Wintersemester 2016/17 zu Gast an der htw saar und versprach, auch im kommenden Wintersemester wieder zu uns zu kommen.

Zur Deutschen Bundesbank gehören neben der Zentrale in Frankfurt neun Hauptverwaltungen, eine davon mit Sitz in Mainz. Dieser Hauptverwaltung unterstehen wiederum vier Filialen, eine davon in Saarbrücken in der Hafenstraße. Wir alle haben indirekt tagtäglich mit dieser Filiale zu tun, denn sie ist verantwortlich für die Bargeldversorgung in der Region.

 

Bernd Kaltenhäuser, Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, hielt an der htw saar einen Vortrag zu den aktuellen Herausforderungen der Geldpolitik im Euroraum.
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