Zurück zur Normalität? Perspektiven für die Geldpolitik
Die Eurozone hat sich von den Schockwellen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 immer noch nicht vollständig erholt. Hinzu kommen viele hausgemachte strukturelle Probleme in einer Reihe von Mitgliedsländern. Etliche Banken haben weiterhin in erheblichem Umfang „faule“ Kredite in ihren Büchern. Zwar werden die umfangreichen Aufkaufprogramme seit Anfang dieses Jahres nicht weiter ausgedehnt, allerdings sollen bei Fälligkeit von gekauften Wertpapieren die frei werdenden Mittel wieder angelegt werden – sodass selbst nach Beendigung der zusätzlichen Käufe von Wertpapieren noch lange mit einem historisch niedrigen Zinssatz zu rechnen ist. Diese Geldpolitik, die in Fachkreise und auch innerhalb der EZB umstritten ist, hat inzwischen erhebliche negative Nebenwirkungen. Insgesamt gibt es also eine große Fülle von Herausforderungen für die Geldpolitik im Euroraum.
Auf Einladung von Prof. Dr. Leonhard Firlus von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften stellte sich Bernd Kaltenhäuser, Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, am 23. Januar 2019 der Aufgabe, diese Herausforderungen näher zu analysieren.
Kaltenhäuser begann seinen Vortrag mit einem versöhnlichen Einstieg unter dem Motto „Happy Birthday, Euro! 20 Jahre Währungsunion“. Der Euro wurde 1999 in elf EU-Staaten als Buchgeld eingeführt, das Bargeld folgte 2002. Heute gibt es den Euro in 19 der (noch) 28 Mitgliedsstaaten der EU. Gemäß einer repräsentativen Umfrage der EU-Kommission von 2018 sind in Deutschland 70 % der Menschen der Ansicht, dass der Euro gut für das eigene Land sei; bezogen auf den gesamten Euroraum sind es immerhin noch 64 %. Das „Versprechen“ der EZB, die Inflationsrate auf mittlere Sicht unter nahe 2 % zu halten, könne man als eingelöst ansehen, wenn man dies auf den Durchschnitt des gesamten Zeitraums seit 1999 anwende.
Kaltenhäuser verschwieg dabei aber auch nicht die erheblichen Schwankungen der Inflationsrate im Zeitverlauf und die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Die Erwartung, dass der Zusammenschluss unter dem Dach einer einheitlichen Währung das Handelsvolumen im Euroraum signifikant erhöhen würde, scheint sich allerdings nicht bewahrheitet zu haben. Die Geschäftsbanken können sich seit fast drei Jahren beliebig viel Liquidität von der EZB zum Zinssatz 0 % besorgen und müssen für die Anlage überschüssiger Liquidität bei der EZB sogar einen Strafzins bezahlen. Im Zuge der Ankaufprogramme ist die Bilanzsumme der EZB geradezu explodiert. Nebenwirkungen dieser „Medizin“ sieht Kaltenhäuser u.a. in einer Überbewertung auf dem Immobilienmarkt vor allem in Großstädten und in einer Schwächung des Anreizes zur Haushaltskonsolidierung in hoch verschuldeten Staaten. Hier gibt insbesondere die gegenwärtige italienische Regierung Anlass zur Sorge. Aber auch der französische Präsident Emanuel Macron wird es unter dem Druck der „Gelbwesten“ schwerfallen, die Verschuldungsquote von nahezu 100 % des Bruttoinlandsprodukts in Richtung der vereinbarten 60 % zu bewegen.
Nach diesem sehr interessanten Vortrag stand der Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Rheinland-Pfalz und dem Saarland noch zur Beantwortung einiger Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. Kaltenhäuser, der schon mehrfach zu Gast an der htw saar war, versprach auch im kommenden Wintersemester wieder zu uns zu kommen.
Der Vortrag fand statt im Rahmen der Vorlesung „Makroökonomie“ von Prof. Dr. Leonhard Firlus vor Studierenden der Bachelor-Studiengänge Internationale Betriebswirtschaft und Internationales Tourismus-Management.
Zur Deutschen Bundesbank gehören neben der Zentrale in Frankfurt neun Hauptverwaltungen, davon eine mit Sitz in Mainz. Dieser Hauptverwaltung unterstehen wiederum vier Filialen, von denen sich eine in Saarbrücken in der Hafenstraße befindet. Wir alle haben indirekt tagtäglich mit dieser Filiale zu tun, denn sie ist verantwortlich für die Bargeldversorgung in der Region.
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