Transnationale Perspektiven auf Bildung und Soziale Arbeit
Ein modernes Gebäude. Innen wie außen sind viele Wände aus Glas. Der gesamte Bau strahlt Offenheit aus. Die „Saimaa University of Applied Sciences“ in Lappeenranta ist die finnische Partnerhochschule der htw saar. Sie liegt am gleichnamigen Saimaa-See im Südosten Finnlands, nahe der russischen Grenze am Stadtrand zu Lappeenranta.
Das Büro von Sanna-Leena Mikkonen, Senior Lecutre an der Saimaa University of Applied Sciences, ist klein, dafür sind die Gemeinschaftsflächen im Universitätsgebäude großzügig gestaltet. Prof. Dr. Ulrike Zöller, Dr. Christian Schröder und eine Gruppe von Studierenden des Studiengangs „Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit“ werden von Sanna-Leena Mikkonen und ihren finnischen Studierenden herzlichst begrüßt. Zwei finnische Studierende führen uns durch das Universitätsgebäude. Wir passieren zahlreiche gemütliche Sitzgelegenheiten zum gemeinsamen und individuellen Arbeiten. In den einladenden Kantinen und Cafés wuseln Studierende herum. Die Atmosphäre ist dennoch hoch konzentriert.
Beeindruckend am Universitätsgebäude sind auch die Seminarräume. Das Mobiliar besteht aus bequemen Sesseln, Stühlen und Sitzbällen. Alles ist beweglich. Ein Traum für lernerzentrierte didaktische Ansätze. In diesen Seminarräumen arbeiten nun in den nächsten fünf Tagen deutsche und finnische Studierende zusammen. Sie kennen sich bereits aus virtuellen Räumen.
Im Wintersemester 2018/2019 haben sie in einem Online-Modul zusammengearbeitet und sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession theoretisch und praktisch ausgestaltet. In insgesamt vier Kleingruppen haben finnische und deutsche Studierende sich mit theoretischen Überlegungen zum „guten Leben“ auseinandergesetzt und dies hinsichtlich eines Themas im Bereich von Menschen mit Behinderung, Obdachlosigkeit, Geflüchteten und Kinderschutz diskutiert. In Finnland lernen sich die Studierenden nun das erste Mal persönlich kennen. Anfängliche Sprachhemmnisse sind bald abgebaut. Jede der vier Kleingruppen entwickelte ein moralisches Dilemma zu ihrem Themenkomplex und diskutiert vor diesem Hintergrund die Theorie „guten Lebens“ und die Praxis Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession in Vorbereitung auf eine gemeinsame Präsentation im Plenum.
Nach zwei Tagen geht es zunächst noch einmal auf Reise für die Gruppe der deutschen Studierenden. Mit der Fähre geht es von Helsinki nach Tallinn (Estland). Auf der Fähre treffen wir auf eine weitere Gruppe deutscher Studierender der Pädagogik der Kindheit unter der Leitung von Prof. Dr. Charis Förster. Angekommen in Tallinn besteht die Gelegenheit, die Dekanin des Studiengangs Pädagogik der Kindheit an der Tallinn University zu treffen. Sie erzählt von der Geschichte Estlands und des starken Einflusses von Friedrich Fröbels Gedanken zur frühen Kindheit – bekannt als Begründer des Kindergartens in Deutschland – auf das estländische Bildungssystem.
Zurück in Finnland geht die Arbeit in Gruppen weiter. Auch ein Besuch eines finnländischen Kindergartens mit Grundschule in Lappeenranta steht noch an. Auch dieses Bildungsgebäude ist eindrücklich einladend und offen gestaltet. Schülerinnen und Schüler zwischen 8 und 15 Jahren führen uns in Kleingruppen durch das Gebäude und in die Klassenzimmer. Die Ausstattung der Schule ist beeindruckend: Werkstatträume, Labore zum Experimentieren, Sporthalle, technische Ausstattung mit Beamer und Tabletts und kleine Roboter, um das Programmieren zu lernen. Die Stimmung ist spielerisch und konzentriert. Das anschließende Gespräch mit den Lehrkräften zeigt, wie viel Arbeit dahintersteckt. Der phänomenbasierte und fächerübergreifende Unterricht verlangt viel Abstimmung und eine innovative Gestaltung von Lerninhalten, so dass die Schüler*innen anregt werden, selbst zu forschen. Alle Schüler*innen einer Klasse erhalten zudem einen Wochenplan mit individuellen Fragestellung. Guter Unterricht geht also neben der guten räumlichen und technischen Ausstattung auch mit einem hohen Anspruch und Arbeitspensum von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften einher.
Zurück an der Saimaa University of Applied Sciences haben die finnischen und deutschen Studierenden noch einmal Zeit, ihre Themen in Kleingruppen zu bearbeiten, bevor sie die Ergebnisse darstellen. Die beeindruckenden Ergebnisse der dargestellten praktischen Dilemmata einer Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession, die theoretische Ausarbeitung und die reflektierte Diskussion zeigen, wie in diesem Online-Modul intensiv zusammengearbeitet gearbeitet wurde. Mit einem abschließenden Fachvortrag zum Thema „the art of organzing. A challenge for social work as a human rights profession“ von Dr. Christian Schröder endet der offizielle Teil des deutsch-finnischen Austauschs, dessen Fortsetzung sich bereits in Planung befindet.
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