Aktuelle Fragen der Geldpolitik
Die Eurozone hat sich von den Schockwellen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 immer noch nicht vollständig erholt. Hinzu kommen viele hausgemachte strukturelle Probleme in einer Reihe von Mitgliedsländern. Viele Staaten sind stärker verschuldet, als dies gemäß des Stabilitäts-und Wachstumspakts zulässig ist. Etliche Banken haben weiterhin in erheblichem Umfang „faule“ Kredite in ihren Büchern. Die Inflationsrate, die laut Zielsetzung der EZB unter aber nahe 2 % liegen sollte, ist trotz einer extrem expansiven Geldpolitik immer noch weit davon entfernt. Diese Geldpolitik, die in Fachkreise und auch innerhalb der EZB umstritten ist, hat inzwischen erhebliche negative Nebenwirkungen. Insgesamt gibt es also eine große Fülle von Herausforderungen für die Geldpolitik im Euroraum.
Auf Einladung von Prof. Dr. Leonhard Firlus von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften stellte sich Bernd Kaltenhäuser am 9. Dezember 2019 der Aufgabe, diese Herausforderungen näher zu analysieren.
Kaltenhäuser begann seinen Vortrag mit einem versöhnlichen Einstieg: Gemäß einer repräsentativen Umfrage der EU-Kommission von Oktober 2019 sind in Deutschland 71 % der Menschen der Ansicht, dass der Euro gut für das eigene Land sei. Bezogen auf den gesamten Euroraum sind es immerhin noch 65 %; dies ist seit der ersten Datenerhebung 2002 der höchste Wert. Die größte Zustimmung erfährt der Euro mit 88 % in Irland und die geringste in Litauen mit 49 %. In Deutschland und im gesamten Euroraum sind sogar 76 % der Ansicht, dass der Euro eine gute Sache für die EU sei. Auch dies ist für den Euroraum die höchste je erzielte Zustimmung. Das „Versprechen“ der EZB, die Inflationsrate auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % zu halten, könne man, wenn man dies auf den Durchschnitt des gesamten Zeitraums seit 1999 anwende, als eingelöst ansehen. Kaltenhäuser verschwieg dabei aber auch nicht die erheblichen Schwankungen der Inflationsrate im Zeitverlauf. Die Erwartung, dass der Zusammenschluss unter dem Dach einer einheitlichen Währung das Handelsvolumen im Euroraum signifikant erhöhen würde, scheint sich allerdings nicht bewahrheitet zu haben.
Was die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts angeht, so hat sich Spanien nach dem Einbruch im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 wieder deutlich erholt und weist seit 1999 mit Abstand die höchste Steigerung auf. Im Gegensatz dazu hat sich Griechenland seit dem drastischen Absturz nicht wieder erholt und verharrt seit 2013 nahezu unverändert auf niedrigem Niveau. Besonders enttäuschend unter Berücksichtigung der Größe seiner Volkswirtschaft ist die Entwicklung in Italien, wo seit Einführung des Euro kaum ein wirtschaftliches Wachstum stattgefunden hat.
Die Geschäftsbanken können sich seit März 2016 beliebig viel Liquidität von der EZB zum Zinssatz 0 % besorgen und müssen für die Anlage überschüssiger Liquidität bei der EZB sogar einen Strafzins bezahlen. Im Zuge der Ankaufprogramme ist die Bilanzsumme der EZB geradezu explodiert. Nebenwirkungen dieser „Medizin“ sieht Kaltenhäuser u.a. in einer Schwächung des Anreizes zur Haushaltskonsolidierung in hoch verschuldeten Staaten und einer Fehlallokation von Ressourcen. Die niedrigen Zinsen bringen natürlich auch erhebliche Risiken für die Geschäftsmodelle vielen Banken und Versicherungen mit sich. So haben sich nach der letzten Sitzung des EZB-Rats unter der Leitung von Mario Draghi mehrere Mitglieder des Rats öffentlich sehr kritisch über die jüngsten – mit nur knapper Mehrheit gefassten – Entschlüsse geäußert. Ein solches Vorgehen ist in diesem Gremium sehr unüblich. Es bleibt abzuwarten, was sich unter der Leitung der neuen Präsidenten, Frau Christine Lagarde, an der Politik der EZB ändert. Mit einer baldigen Rückkehr zu positiven Zinssätzen ist aber nicht zu rechnen.
Nach diesem sehr interessanten Vortrag stand Kaltenhäuser noch zur Beantwortung einiger Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. Kaltenhäuser, der schon mehrfach zu Gast an der htw saar war, versprach, auch im kommenden Wintersemester wieder zu uns zu kommen.
Der Vortrag fand statt im Rahmen der Vorlesung „Makroökonomie“ von Herrn Prof. Dr. Leonhard Firlus vor Studierenden der Bachelor-Studiengänge Internationale Betriebswirtschaft und Internationales Tourismus-Management.
Zur Deutschen Bundesbank gehören neben der Zentrale in Frankfurt neun Hauptverwaltungen, eine davon mit Sitz in Mainz. Dieser Hauptverwaltung unterstehen wiederum vier Filialen, eine davon in Saarbrücken in der Hafenstraße. Wir alle haben indirekt tagtäglich mit dieser Filiale zu tun, denn sie ist verantwortlich für die Bargeldversorgung in der Region.
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