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Saarbrücken zwischen 1933 und 1945

Aktueller hätte die politische Stadtführung nicht sein können, die im Rahmen einer Lehrveranstaltung für Studierende der Sozialen Arbeit und Pädagogik der Kindheit stattgefunden hat. Denn unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ gehen zur Zeit tausende von Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Auslöser ist eine Recherche des Netzwerkes Correctiv, die Pläne von AFD-Politikern, Neonazis und Unternehmern zur Vertreibung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aufgedeckt hat.

Wie wichtig es ist, den Anfängen zu wehren und Widerstand zu leisten, wird deutlich, als Professor Werner Brill kenntnisreich und spannend einige Schlaglichter auf die zwölf Jahre Nazi-Diktatur in Saarbrücken wirft. Angefangen auf dem Schlossplatz mit dem Unsichtbaren Mahnmal und der Gestapozelle im Historischen Museum führt er die Studierenden über den  Rabbiner-Rülf-Platz, das Willi-Graf-Ufer, die Standorte der alten und neuen Synagoge bis zum Gedenkstein für Marie Juchacz und Hanna Kirchner in der Bahnhofstraße. Gerade für angehende Sozialarbeiter*innen  ist dies ein Ort von besonderer Bedeutung. Die beiden Widerstandskämpferinnen und Gründungsmitglieder der Arbeiterwohlfahrt haben dort – selbst ins Saargebiet vor politischer Verfolgung geflohen – eine Pension und Treffpunkt für Emigranten aus Nazi-Deutschland betrieben. Lebendig werden auf den Stadtrundgang aber nicht nur Menschen, die – wie Marie Juchacz, Johanna Kirchner und Willi Graf – mutig Widerstand geleistet und anderen selbstlos in Not geholfen haben, vorgestellt. Auch die Willkür, Verfolgung und mörderische Gewalt der Nazis werden eindrücklich erkennbar, etwa an dem Stolperstein für Wilhelm Diesel. Er geriet wegen mehrfachem Diebstahl in den NS-Vernichtungsapparat und wurde schließlich, als er durch eine Knieverletzung nicht mehr arbeitsfähig war, 1924 in Hartheim ermordet. Wie wichtig die Aufarbeitung der NS-Zeit ist, zeigt die Geschichte von Hans Neikes, der ab 1928 Oberbürgermeister von Saarbrücken war und nach der Saarabstimmung eine steile Karriere im Berlin machte. Trotz seiner Verstrickung in Verbrechen der Nazis gab es bis 2022 in Saarbrücken eine Neikesstraße.

Am Ende der Stadtführung sind sich die Studierenden und die begleitende Dozentin Professorin Kerstin Rock einig. Sie gehen jetzt mit anderen Augen durch die Stadt und werden nicht nur den Spuren der NS-Vergangenheit, sondern auch den menschenverachtenden Tendenzen in der Gegenwart Aufmerksamkeit schenken – denn nie wieder ist jetzt!

 

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