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Wenn Mütter ihre Babys töten

Im November 2016 wurde erneut ein Fall einer Neugeborenentötung (Neonatizid) in Deutschland bekannt – laut Medien soll eine 28-Jährige aus Siegen auf der Toilette des Flughafens Köln/Bonn ein Baby geboren und kurz danach umgebracht haben. Ein Strafbefehl ist erlassen worden (vgl. N-TV 21.11.2016). Derartige Fälle schockieren die Öffentlichkeit, sodass sich die Frage gestellt wird, was geschehen muss, dass eine Mutter ihr eigenes ‚Fleisch und Blut‘ nach der Geburt tötet.

Auffällig ist bei dieser Art eines Tötungsdeliktes, dass – im Gegenteil zur Gesamtkriminalität, bei der männliche Täter die Mehrzahl bilden – bei dem Phänomen des Neonatizides, fast ausschließlich Frauen als Täter festgestellt werden. Weiterhin interessant ist, dass diese Frauen beispielsweise (noch) im elterlichen Haushalt und/oder in einer Partnerschaft leben, und keiner dieser nahen Angehörigen, die Schwangerschaft und/oder Geburt bemerkt. Dies ist insbesondere interessant, wenn man bedenkt, dass die Geburt meist im eigenen Bade- oder Schlafzimmer stattfindet, wo der Säugling nachfolgend oft auch getötet wird. Nach Aufdeckung dieser Tat sind die nahen Angehörigen wie die Eltern, Geschwister oder (Intim-)Partner geschockt, da sie die Schwangerschaft – die von der Frau oftmals verheimlicht und/oder verdrängt wurde – nicht bemerkt haben.

Dieses Phänomen ist nicht nur unter kriminologischen Aspekten interessant, sondern insbesondere für die Soziale Arbeit. Aus diesem Grund wurde von den Autorinnen Dr. Sandra Hahn und Lisa Maldener eine qualitative Arbeit erstellt, innerhalb welcher die Rekonstruktion einer solchen Tat und somit die Erkenntnisgewinnung zu dem Phänomen im Vordergrund steht.

Die Ergebnisse dieser Forschung ermöglichen, die Tat nicht nur aus Sichtweise der ‚Täterin‘, sondern auch aus ihrem Umfeld näher betrachtet zu können. Dies ist nicht nur für die (kriminal-)polizeilichen Ermittlungen von Interesse, in dem durch die Rekonstruktion der unterschiedlichen Vernehmungen und Gutachten, welche in der Veröffentlichung dargestellt werden, das Tathandeln in Bezug auf die Abgrenzung einer negierten oder nicht bemerkten Schwangerschaft herausgestellt werden kann. Auch können diese Aspekte im Vorhinein einer derartigen Tat insbesondere für die Soziale Arbeit (z.B. sozialpädagogische Familienhilfe, Beratungsstellen etc.) von Nutzen sein, wenn die negierte Schwangerschaft als Risikofaktor in der Gesellschaft bekannt und wahrgenommen wird.

Ausführliche Informationen können in der Publikation zu dieser Forschung von Sandra Hahn und Lisa Maldener (2016): Neonatizid – eine Einzelfallrekonstruktion zum Phänomen der Neugeborenentötung. Verlag für Polizeiwissenschaften, nachgelesen werden.

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