10 Jahre Chinesischunterricht an der htw saar
Es ist kaum zu glauben, aber wahr, dass es nunmehr schon seit zehn Jahren Chinesischunterricht an der htw saar gibt. Ausgehend von dem Wunsch der Studierenden, die chinesische Sprache zu erlernen und von diesen durch eine Unterschriftenaktion unterstützt, startete im WS 2009 / 2010 der erste Kurs Chinesisch für Anfänger I. Sukzessive etablierte sich das Fach Chinesisch immer mehr, das unmittelbar von denjenigen Studierenden angenommen wurde, denen klar war, dass sie hier eine Sprache lernten und lernen, die damals schon an Bedeutung gewonnen hatte und die auch aus heutiger Sicht in Zukunft immer wichtiger werden wird. Die Schaffung und Etablierung von Chinesischkursen leistete und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur sprachlichen und interkulturellen Bereicherung unserer Studierenden.
Die hier präsentierten Daten beziehen sich auf entsprechende Erhebungen der Dozentin aus den vergangenen zehn Jahren. In diesen ersten zehn Jahren (WS 2009/2010 bis SS 2019) nutzten insgesamt 467 Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen das Angebot an Chinesischkursen (Abb. 1) – wobei zunächst lediglich zwei verschiedene Stufen angeboten wurden, das Angebot aufgrund der Nachfrage – aber auch aufgrund der Sprachbeherrschung der Studierenden – jedoch nach und nach auf vier Stufen (Chinesisch für Anfänger I bis IV) erweitert werden konnte. Dabei haben durch die Zeit hindurch nahezu ebenso viele Studentinnen (49 %) wie Studenten (51 %) daran teilgenommen, wobei sich in den vergangenen zwei Jahren ein Überhang von Studenten gegenüber Studentinnen ergeben hat, was jedoch als Tendenz noch nicht als bestätigt angesehen werden kann.
Das Gros der Studierenden stammte aus dem Bachelor-Bereich (87,4 %), wobei die Master-Studierenden ihre geringere Zahl durch eine hochgradig ausgeprägte Motivation wett machten (Abb. 2). Interessant ist, dass im Laufe der Zeit immer auch Mitarbeiter der htw saar – und sogar ein Professor -, die die Bedeutung des Chinesischen erkannt hatten bzw. beruflich Grundkenntnisse benötigten, an den Chinesisch-Veranstaltungen teilgenommen haben. Sieben Studenten nutzten zudem die Chinesischkurse zur sprachlichen Vorbereitung, bevor sie ihr Doppeldiplom an der Tongji-Universität in Shanghai in Angriff nahmen.
Zudem nehmen seit dem Wintersemester 2016/2017, als in Metz der so genannte Chinese Track eingeführt wurde, solche DFHI-Studierende an den Chinesisch-Veranstaltungen teil, die die jeweilige Partnersprache Französisch bzw. Deutsch auf sehr hohem Niveau beherrschen und ihren sprachlichen Horizont somit auf eine wichtige Sprache der Zukunft hin erweitern können.
Mit Blick auf die Studiengänge, aus denen die Studierenden kamen, ist die Betriebswirtschaftslehre führend (19,6 %), gefolgt vom Wirtschaftsingenieurwesen (19,3 %) und der Internationalen Betriebswirtschaft (13,7 %) (Abb. 3).
Dabei sind die Studierenden zu einem beachtlichen Anteil mehrsprachig (Abb. 4): 14 % der Studierenden, die bisher an den Chinesischkursen teilgenommen haben, beherrschten zwei Fremdsprachen, 51,5 % verfügten über drei Fremdsprachen, 29,8 % meisterten vier und immerhin 4.1 % fünf Fremdsprachen. Dabei dominierte die Fremdsprachenkombination Deutsch-Englisch-Französisch vor der gleichen, durch Spanisch ergänzten Kombination. Den bisherigen Rekord hält ein Student, der acht Fremdsprachen beherrschte.
Vor diesem Hintergrund nahm es nicht wunder, dass das Englische als Vermittlungssprache von der breiten Mehrheit der Studierenden (81,6 %) sehr gut und von 12.6 % gut angenommen wurde, dass also insgesamt 94,2 % der Befragten die Unterrichtssprache Englisch als einen Gewinn betrachteten – frei nach dem Motto, auf diese Weise „zwei Fliegen mit einer Klappe” zu schlagen (Abb. 5).
An Aktionsformen und unterrichtlichen Aktivitäten bevorzugten die Studierenden die Möglichkeit, einen chinesischen Namen wählen zu können. Die Vorstellung der eigenen Person wurde ebenfalls als sehr attraktiv bewertet. Von den Studierenden sehr geschätzt und als motivierend empfunden wurde auch die Erlernung und Verwendung des chinesischen Schreibsystems, die es ihnen ermöglichte, kurze Texte von Hand oder mit Hilfe des Computers bzw. des Smartphones unter Verwendung chinesischer Schriftzeichen zu verfassen. Neben einer Einführung in die chinesische Sprache und ihre „Philosophie“ wurde schließlich auch die regelmäßig im Unterricht auftauchende, interkulturell ausgerichtete Aktivität Wissen Sie’s…? (Nĭ zhīdào ma…?) geschätzt. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreuten sich chinesische (Lern)Lieder.
Eine aktuelle, für den vorliegenden Bericht durchgeführte Umfrage auf der Basis offener Fragen mit einem Rücklauf von neun Absolventen und Absolventinnen aus unterschiedlichen Jahren und Studiengängen ergab unter anderem die folgenden Resultate:
- Der Chinesischunterricht wurde als Bereicherung angesehen, weil:
- schon die Beherrschung der Grundzüge des Chinesischen sich im Lebenslauf und bei Vorstellungsgesprächen sehr gut ausnimmt,
- Chinesischkenntnisse es ermöglichen, sich positiv von möglichen Konkurrenten zu unterscheiden und – bei entsprechender Ausrichtung des Arbeitgebers – beruflichen Aufenthalten in China den Weg ebnen können,
- die Auseinandersetzung mit dem Chinesischen neue Einblicke in die chinesische Kultur ermöglicht,
- die Zusammenarbeit mit den Partnerhochschulen der htw saar realistische Chancen für die Anwendung erworbener Chinesischkenntnisse bietet.
- Im Rückblick auf den Chinesisch-Unterricht erinnern sich die Studierenden besonders an:
- ihre Dialoge mit ihren Mitstudenten auf Chinesisch und die chinesischen Lern-Lieder,
- die Aussprache-Schulung, die bewirkte, dass die mündlichen Leistungen der Studierenden sich stetig verbesserten,
- die Präsentationen über das Leben in China am Anfang der jeweiligen Unterrichtsstunden,
- die Stunden, in denen die Studierenden ihren chinesischen Namen erhielten,
- die Kalligraphie-Übungen zur Heranführung an das Schreiben der chinesischen Schriftzeichen,
und nicht zuletzt an:
- die positive Stimmung im Kurs,
- die enthusiastische, freundliche und motivierende Dozentin sowie
- die Bonbons, die es zur Steigerung von Motivation und Spaß im Unterricht gab.
- Die Studierenden konnten ihre erworbenen Chinesischkenntnisse dadurch in die Praxis umsetzen, dass sie:
- in ihrer Bachelor- oder Master-Arbeit die chinesische Welt mit in ihre Betrachtungen einbezogen, was sie ohne eine Teilnahme am Chinesischunterricht in dieser Form nie getan hätten, und
- erkannten, dass die ansatzweise Beherrschung einer weiteren, „exotischen“ Fremdsprache – insbesondere in Bereichen wie dem Tourismus, in dem man unmittelbar mit Menschen zu tun hat – von erheblichem Vorteil sein kann.
- An indirekt mit der Erlernung des Chinesischen zusammenhängenden Erfahrungen ergaben sich für die Befragten:
- positive Erlebnisse bei dem Versuch, mit Chinesen direkt in ihrer Muttersprache zu kommunizieren,
- sprachliches Lob von Muttersprachlern des Chinesischen sowie
- eine Verbesserung des Verständnisses der asiatischen Lebensweise,
- Die bisherigen Teilnehmer an den Chinesischkursen würden diese auch künftigen Studierenden weiterempfehlen, weil:
- sie als sehr positiv empfunden worden sind und für Interessierte zudem eine Möglichkeit bieten, die eigenen Kenntnisse in Form des Tandem-Lernens über den eigentlichen Kurs hinaus weiter zu vertiefen, was dringend noch intensiver gefördert werden sollte,
- die Erlernung des Chinesischen als eine bereichernde Erfahrung wahrgenommen haben,
- die Möglichkeit, die HSK-Prüfung abzulegen, von einigen Studierenden als attraktiv wahrgenommen wurde und
- die Gruppengröße als sehr vorteilhaft für ein intensives Lernen empfunden wurde.
Mit Blick auf die immer wichtiger werdende Digitalisierung des Unterrichts wurden in den vergangenen Jahren Google Classroom und Quizlet in den Unterricht integriert, was – laut den von der Dozentin am Semesterende durchgeführten Evaluationen – von den Studierenden gut aufgenommen worden ist und den CALL (Computer assisted language learning)-Ansatz der Veranstaltung in Verbindung mit Computer und Smartphone sinnvoll ergänzt.
Insgesamt liegt die Empfehlungsrate der Chinesisch-Veranstaltungen durch die teilnehmenden Studierenden sehr hoch. Geholfen hat dabei auch, dass die Kurse in das Programm von StudiumPlus integriert wurden, dass sie in einigen Studiengängen in den Katalog der Wahlpflichtmodule aufgenommen worden sind, und natürlich die Tatsache, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ihre Freude am Chinesischunterricht nicht geheim hielten, sondern diese Information in Form von Mundpropaganda weitergaben.
Die Dozentin Yi-Ling Lillian Tinnefeld-Yeh, die in Taiwan zunächst als Gymnasiallehrerin und dann als Universitätslektorin Englisch unterrichtet hatte, nutzte ihre eigene Sprachlehr-Erfahrung – wie auch ihre Deutsch-Lernerfahrung – für ihren Chinesischunterricht, da diese es ihr ermöglichten, sich in die Lage erwachsener Lerner und Lernerinnen hineinzuversetzen und zu erkennen, welche Bedürfnisse diese real haben. Diese Erkenntnisse wie auch ihre regelmäßige Teilnahme an Chinesischlehrer-Workshops verhelfen ihr dazu, ihre Lehr- und Lernmaterialien zielgruppengerecht auf ihre Studierenden zuzuschneiden und ihnen auf diese Weise ein Kursangebot zu machen, das von Funktionalität und Lerneffizienz ebenso geprägt ist wie von der Erweckung eines Interesses an der chinesischen Kultur und der Freude an der Erlernung des Chinesischen selbst.
Gerade die Einbeziehung der chinesischen Kultur, die naturgemäß in ganz enger Verbindung zu der chinesischen Sprache gesehen werden muss, ist dabei für die Studierenden interessant, da sie ihnen nicht nur mehr Sprachlernmotivation vermittelt, sondern ihnen auch Erkenntnisse eröffnet, die ihnen ohne die Chinesisch-Veranstaltungen verschlossen bleiben würden. Dies geht in den Kursen so weit, dass die Studierenden (meist auf Englisch, jedoch in Ansätzen ebenso auf Chinesisch) Präsentationen zur chinesischen Kultur halten, die ihnen ein tieferes Verständnis dieser ermöglichen.
In einem erweiterten Zusammenhang mit den Chinesischkursen ist das Tandem-Lernen zu sehen, zu dem sich im Laufe der Zeit sieben Lernpaare bildeten, die sich durch das Semester hindurch regelmäßig trafen und sich gegenseitig beim Ausbau der eigenen Sprachkenntnisse (Chinesisch auf der einen – Deutsch auf der anderen Seite) halfen.
Im Sommer 2018 nahmen erstmals Studierende aus den Chinesischkursen an der Prüfung HSK-1 und HSK-2 (einer offiziellen chinesischen Sprachstandsprüfung, vergleichbar mit dem Niveau A1 bzw. A2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens) teil und bestanden diese mit guten und sehr guten Ergebnissen. In den Jahren 2018 und 2019 legten insgesamt 20 Studierende die HSK-Prüfung ab: 15 Studierende HSK-1 und 5 Studierenden HSK-2. Drei dieser Studierenden erreichten dabei im HSK 1-Test die volle Punktzahl.
Wir freuen uns nun auf das zweite Jahrzehnt des Chinesischunterrichts an der htw saar, in der Hoffnung, dass dessen Erfolgsgeschichte nicht nur in gleicher Weise fortgeschrieben werden kann, sondern dass die Studierenden mit der Zeit zu noch höheren Zielen und Ebenen der Sprachbeherrschung geführt werden können – vielleicht auch dadurch, sie in Zukunft wunschgemäß noch mehr Möglichkeiten als bisher erhalten werden, einen Teil ihres Studiums in Chinesisch sprechenden Ländern absolvieren zu können.
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