Sie lesen gerade: Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen

Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen

Männer verdienen mehr als Frauen – klar. Aber wir haben gefragt: „Was schätzen Sie, wie viel würde ein Student als Brutto-Einstiegsgehalt, mit den gleichen Eigenschaften und Studienleistungen, aber einem anderen Geschlecht, bekommen?“ und überraschende Antworten erhalten.

Der Gender Pay Gap bleibt Realität auf Arbeitsmärkten weltweit. Trotz Fortschritten in den letzten Jahrzehnten bleibt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bestehen – auch in Deutschland, wo sie zwar von 22 % (2015) auf 18 % (2022) gesunken ist, nach Anpassung an Qualifikationen und Berufserfahrung aber immer noch 6 % beträgt (Statistisches Bundesamt, 2025).

 

 

Empirische Studien zeigen, dass diese Lücken nicht nur bei tatsächlichen Gehältern, sondern auch bei den Gehaltserwartungen bestehen: Frauen erwarten im Vergleich zu Männern systematisch niedrigere Gehälter – selbst bei ähnlichen Startbedingungen und Qualifikation. Während Männer von Karriereaufstieg und höheren Gehältern ausgehen, begrenzen Frauen häufig ihre Erwartungen, was langfristig ihre Chancen am Arbeitsmarkt reduziert.

Hinzu kommen strukturelle Hürden: Hochqualifizierte Frauen stoßen auf „gläserne Decken“, während weniger qualifizierte Frauen auf „klebrigen Böden“ verharren – Männer hingegen profitieren in der Regel von mehr Aufstiegsmöglichkeiten. Diese Erwartung von möglicher Diskriminierung kann zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden, wenn Frauen weniger in ihre berufliche Entwicklung investieren.

Im Oktober und November 2024 haben wir basierend auf der Forschungsfrage „In wie weit ist der Gender Pay Gap bereits im Studium angelegt?“ an allen Fakultäten der htw saar Daten zum erwarteten Einstiegsgehalt der Studierenden erhoben. Tatsächlich bestätigen auch unsere Ergebnisse: Männer erwarten bei gleicher Qualifikation und Erfahrung systematisch höhere Einstiegsgehälter pro Jahr (nämlich um 3.701 EUR oder 7,4% mehr) als Frauen – aber auch Frauen erwarten systematisch niedrigere Einstiegsgehälter (um 670 EUR oder 1,5% weniger) als Männer.

 

 

Daten: 718 Studierende der htw saar; Erhebungszeitraum Oktober/November 2024; erwartete Einkommen brutto pro Jahr; erwarteter Gender Pay Gap ermittelt als „Was schätzen Sie, wie viel würde ein Student als Brutto-Einstiegsgehalt, mit den gleichen Eigenschaften und Studienleistungen, aber einem anderen Geschlecht, bekommen?“ und angegeben als Differenz Männer zu Frauen.

Über alle Studierenden hinweg erwarten Männer höhere Gehälter (im Durchschnitt 50.246 EUR) als Frauen (43.386 EUR), mit einem durchschnittlichen geschlechtsspezifischen Lohngefälle von 4,1%. Dabei schätzen sich Studierende individuell – übereinstimmend mit anderen Studien – alle als überdurchschnittlich gegenüber anderen Studierenden ein: das Vertrauensniveau (‚confidence level‘) in die Gehaltserwartungen liegt bei Frauen (1,0709) knapp höher als bei Männern (1,0518).

Unsere Daten geben daneben Einblick in die erwarteten Gehälter und den geschlechtsspezifischen Gender Pay Gap bei Studierenden, kategorisiert nach Studienfach, aktuellem Studienprogramm, angestrebtem Berufseinstieg und geplantem Arbeitsort.

In der Regel erwarten Männer stärkere geschlechtsspezifische Gehaltsaufschläge, als Frauen geschlechtsspezifische Gehaltsabschläge erwarten: so erwarten beispielsweise männliche Studierende der Wirtschaftswissenschaften 3.982 EUR mehr als gleichqualifizierte Frauen zum Berufseinstieg, Frauen erwarten dagegen 491 EUR weniger als gleichqualifizierte Männer.

Vergleicht man aktuelle Bachelor- und Master-Studierende, so steigt bei Männern der erwartete Gender Pay Gap von 6,8% auf 9,3 % an, bei Frauen bleibt er mit 1,7% und 1,5% stabil. Interessant wird es beim Blick auf die bevorzugte Unternehmensgröße zum Berufseinstieg. Frauen erwarten, – übereinstimmend mit anderen Studien – dass ihre Gehaltsabschläge bei großen Unternehmen geringer als bei kleinen Unternehmen sind. Männer erwarten dagegen, dass große Unternehmen eine zusätzliche geschlechtsspezifische Prämie für Männer ausbezahlen.

Blickt man abschließend auf den geplanten Arbeitsort zum Berufseinstieg, so erwarten Männer insbesondere bei internationalem Berufseinstieg um 9,2% höhere Einstiegsgehälter als gleichqualifizierte Frauen. Frauen wiederum erwarten die geringsten geschlechtsspezifischen Abschläge, wenn sie im Saarland bleiben. Beide Erwartungen widersprechen deutlich anderen Studien.

Die Analyse verdeutlicht die anhaltenden geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Gehaltserwartungen. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern bleibt damit ein hartnäckiges Problem. Deutschland hat in den letzten Jahren verschiedene Maßnahmen eingeführt, um diese Ungleichheit zu bekämpfen – mit gemischten Ergebnissen.

Das Entgelttransparenzgesetz von 2017 sollte Lohnunterschiede offenlegen, zeigt jedoch begrenzte Wirkung, da es an Durchsetzung und Sanktionen mangelt. Länder wie Großbritannien zeigen, dass jährliche Berichte über die Lohnlücke in Unternehmen zu mehr Verantwortung führen können. Programme wie Elterngeld und ElterngeldPlus haben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert. Dennoch bleiben kulturelle Normen und geschlechterspezifische Modelle ein Hindernis: Frauen nehmen weiterhin den Großteil der Elternzeit, während Männer oft weniger eingebunden sind.

Initiativen wie „Komm, mach MINT“ fördern Frauen in den Bereichen Wissenschaft und Technik. Solche Bildungsprojekte sind entscheidend, um die geschlechtsspezifische Berufstrennung zu überwinden. Deutschland braucht stärkere Anreize und kulturellen Wandel, um die Lohnlücke nachhaltig zu schließen. Unsere Studie bestätigt aber einmal mehr: der Gender Pay Gap wird erwartet und ist fix in den Köpfen hinterlegt.

Artikel drucken

0 Kommentare in “Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert